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Psychotrauma und Demenz
In Deutschland leben derzeit etwa 1,6 Millionen Menschen mit einer diagnostizierten Demenz -Tendenz steigend. Die aktuelle Demenzforschung ist der Überzeugung, dass die meisten Demenzformen durch altersbedingte Abbau- und Ablagerungsprozesse im Gehirn verursacht werden. Somit wird das Alter zum Risikofaktor. Leider werden die Erkenntnisse aus der Neurobiologie und Psychotraumatologie noch wenig beachtet, die belegen, dass unser Gehirn Erlebniseindrücke in biologische Signale umwandelt. Fördernde oder belastendende zwischenmenschliche Beziehungen haben daher eine hohe gesundheitliche Relevanz. Somit kann die Plaque-Bildung bei Alzheimerdemenz eine neurobiologische Spätfolge einer belastenden Beziehung sein. Betrachtet man das Kardinalsymptom der Demenz „das Vergessen“ aus Sicht der Psychotraumatologie, kann das Symptom „Vergessen“ auch als „altersgerechte“ Überlebensstrategie gesehen werden.
Meist leben die Betroffenen in mehr oder weniger festen familiären Strukturen. Die Dynamik der „Erkrankung“ macht die betroffene Person hilfs- und schutzbedürftig. Dadurch sehen sich die Angehörigen häufig verpflichtet, der betroffenen Person beizustehen, weil dies auch die gesellschaftliche Erwartung ist. Sie fühlen sich schlecht, wenn sie sich abgrenzen oder gar äußern, dass sie nicht beistehen wollen. Oder aber sie geben sich, ihr Leben und ihre Bedürfnisse völlig auf, da sie sich über die Hilflosigkeit des Betroffenen eine Chance auf Nähe und Kontakt erhoffen, die sie zuvor von dieser Person so nicht kannten oder erlebten.
Ich sehe hier ein hohes Potenzial der Reinszenierung vom Trauma der Identität und vom Trauma der Liebe. Die von Demenz betroffenen Personen verlieren sich und ihre Selbstbestimmung immer mehr. Pflegende Angehörige ohne eigene stabile Identität identifizieren sich über den Demenzkranken und ihr Handeln wird von ihm bestimmt.
Angehörige steigen über die Versorgung häufig wieder in Täter-Opfer-Beziehungen ein, wenn eigene Traumatisierungen noch nicht bewältigt sind. Schnell wird deutlich wie stabil die Ich-Identität der Angehörigen ist. Ist diese kraftvoll, können sie erkennen, was für sie gut ist, sich für sich selbst entscheiden und damit ihr Gesundsein stärken.
Martina Wittmann, geboren 1960, Krankenschwester, Lehrerin für Pflegeberufe, Auslandseinsatz über „Care Deutschland“ im Flüchtlingslager der Republik Kongo während des Genozids in Ruanda. 1998 Weiterbildung zur Supervisorin. 2002 Fortbildung nach Prof. Dr. Franz Ruppert, seit 2004 Seminare und Einzelarbeit in eigener Praxis in Augsburg.
www.traumaaufstellung-augsburg.de
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