Manche Kinder erleben Gewaltsituationen durch ihre eigene Mutter. Dabei macht es einen Unterschied, ob die Mutter einen Jungen oder ein Mädchen geboren hat, da sie sich stets mit dem gleichgeschlechtlichen Kind identifiziert. Es gibt Mütter, die ihre eigenen Töchter misshandeln, sie umbringen wollen oder ihnen sonstige körperliche und emotionale Gewalt antun. Da eine Mutter aufgrund unseres vorherrschenden gesellschaftlichen Mutterbildes grundsätzlich als fürsorglich, liebevoll und nährend gesehen wird, fällt es häufig nicht leicht, derartige Misshandlungen von außen zu erkennen oder sie werden unreflektiert zunächst den Vätern zugeschrieben.
Gewaltausübung durch Mütter an ihren Säuglingen oder kleinen Kindern, besonders an Mädchen, ist somit oft nicht leicht zu erkennen und immer noch ein Tabuthema.
Erfahren diese weiblichen Opfer keine Hilfe durch andere Personen oder Jugendämter, entwickeln sie unterschiedliche Überlebenstechniken. So gehen sie häufig in die Erstarrung und entwickeln einen Todstellreflex. In ihnen entsteht dann das Gefühl, gar nicht existent zu sein, sie machen sich unsichtbar oder wirken sehr zurückgezogen und schüchtern.
In der Regel sind Mütter, die so etwas tun, selbst durch Kriegstraumatisierungen, sexuelle Gewalt, andere Gewalterfahrungen oder vergleichbare verzweifelte Zustände traumatisiert. Sie können in der Folge die Lebendigkeit und spontanen Äußerungen eines kleinen Kindes nicht ertragen, fühlen sich überfordert und empfinden Lust, es zu quälen oder sogar zu töten. Allein die Existenz eines Mädchens triggert sie und rührt an ihren eigenen Erlebnissen, an die sie nicht erinnert werden wollen. Das führt dazu, dass sie ihre Töchter schlicht nicht ertragen können.
Solche Mütter identifizieren sich mit ihrem Kind bzw. ihrer Tochter und können sie nicht als eigenständiges Gegenüber sehen. Somit ist das Kind symbiotisch mit der Mutter verstrickt und kann keine sichere Bindung aufbauen. Starkes Mißtrauen kann eine Folge davon sein. Um eine derartige Situation überleben zu können, bindet sich die Tochter an Traumaanteile der Mutter. Da sich solche Kinder in einer ständigen Habachtstellung, Todesangst oder Erstarrung bewegen, können sie ihre natürlichen Gefühle und Lebensäußerungen nicht zeigen. Diese können sich dann in Somatisierungsstörungen des Verdauungstraktes ausdrücken, wie z.B. entzündlichen Magen-Darmerkrankungen oder Erkrankungen von Pankreas und Galle.
Ich bin diesem Thema nachgegangen, weil ich selber eine Mutter habe, die als 11 jähriges Mädchen Flucht und Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten erlebt hat, währenddessen Kinder und Erwachsene verbrannt, verhungert, erfroren, erschossen und vergewaltigt wurden. Meine blosse Existenz hat bei meiner Mutter Kriegserlebnisse getriggert, Flash-Backs ausgelöst und sich in Aggression und Gewalt entladen. Durch die Therapie mit der Methode des „Aufstellens des Anliegens“ konnte ich nach und nach meine Erstarrungen und Ängste lösen, um mehr zu meinem Selbst zu kommen.
Im Klinischen Kontext kommt es immer wieder vor, dass Mütter und Töchter in Krisengebieten unserer Zeit etwas Ähnliches erlebt haben. Das Aufstellen mit dem Anliegen ist dabei äußerst hilfreich, um destruktive Verstrickungen in Beziehungen zu lösen und emotional zu bewältigen.
In meinem Work-Shop werden wir uns solche Beziehungsverflechtungen näher anschauen, es werden Beispiele eingebracht, wie die Methode des Aufstellens mit dem Anliegen bei derartigen Verstrickungen hilfreich sein kann. 1-2 Teilnehmende des Work-Shops können die Gelegenheit erhalten, ihr eigenes Thema mit Hilfe dieser Methode zu bearbeiten.
Karla Domning, geb. 1957.
Leitende Diplom Psychologin, Pastorin.
Aus- und Fortbildungen in Psychodrama, Kurzzeitseelsorge, Meditation, Familienaufstellen und Traumaaufstellungen.
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